Kurbelwellen

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Kurbelwellen

Einleitung

Die folgenden Abschnitte sollen einen Einstig in das Thema der Kurbelwellen vermitteln. Mit Hilfe einiger Abbildungen fasse ich hier kurz die Erfahrungen zusammen, die ich in den letzten Jahren während meiner Beschäftigung mit dem Thema Motorsägen gemacht habe. Die Abbildungen zeigen überwiegend Wellen der Fa. „Sachs-Dolmar“ aus den 80er Jahren, aber die getroffenen Aussagen lassen sich weitgehend auf heutige Sägen übertragen.

Aufbau

Die Kurbelwelle wandelt bei nicht kontinuierlich arbeitenden Wärmekraftmaschinen die oszillierende Bewegung des Kolbens (auf und ab) in eine Drehbewegung um. Bei 2Takt-Motoren mit nur einem Zylinder weisen praktisch alle Kurbelwellen eine gewisse Ähnlichkeit auf. Auch in jeder heutigen Einmann-Motorsäge verrichtet ein solches Bauteil seinen Dienst und besteht in der Regel aus 2 Wellenstümpfen, die jeweils in ein massives Bauteil, die so genannten Kurbelwellen-Wangen münden. Beide Wangen stellen zusammen eine Art Schwungmasse dar, die der oszillierenden Masse des Kolbens entgegen wirkt. Sie sind über den „Zapfen“ verbunden. Die Stümpfe sitzen auf einer gedachten Linie.Der Zapfen sitzt parallel versetzt zwischen den Wangen, der doppelte Versatz entspricht dem Hub des Zylinders. Das Pleuel verbindet Kolbenbolzen und Kurbelwellenzapfen. Man kann je nach Fertigungsprozess noch in ein-, zwei- und dreiteilige Wellen unterteilen: Einteilig ist die KW wenn sie aus einem Teil im Gesenkt geschmiedet wird. Zweiteilig ist sie, wenn der Hubzapfen an einer Wange aus gebildet ist. Bei dreiteiligen sind Wangen und Zapfen separate Teile die verpresst werden.

Zwischen Kolbenbolzen und Pleuel sowie zwischen Pleuel und Zapfen ist in den so genannten Pleuelaugen jeweils ein Nadellager untergebracht. Das Pleuel ist außen meist verkupfert. Ein Motorenspezialist erklärte mir dies mit einer alten Tradition des Motorenbaus, man versprach sich durch Verkupfern weniger Ablagerungen und eine bessere chemische Beständigkeit des Materials. Es ist zudem auch optisch ansprechend. Die genannten Baugruppen sind in der folgenden Abbildung beschrieben:

Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Die Funktionsweise der Kurbelwelle ist einfach, aber man erahnt in dieser Abbildung schon, dass hier eine ganze Menge Funktionen zusammenlaufen. Auf dem in Richtung des Sägers linken Wellenstumpf, der „Magnetseite“, sitzt meist das Polrad was gleichzeitig auch Schwungmasse darstellt, das Gebläse, ein Lager, ein Dichtring und die Startvorrichtung, über die die Kraft des Startens auf den Kolben übertragen wird. Eine Mutter hält die Kegelpassung des Polrades an Ort und Stelle. Hier sitzt zudem noch eine Scheibenfeder, deren Ausfräsung im Bild jedoch nicht zu sehen ist. Der Kraftschluss erfolgt ausschließlich über die Kegelpassung. Abgescherte, also über dieses kleine fixierende Metallteil hinweg verdrehte Polräder sind die Folge einer defekten oder verunreinigten Kegelpassung. (Und manchmal lässt sie sich mit feiner Schleifpaste wieder richten!) Rechts geht es auf dem Wellenstumpf der „Kupplungsseite“ praktisch noch dichter gedrängt weiter. Hier wird am Ende die Kraft des Motors auf die Kette übertragen. In der Mitte sitzt nun das Pleuel und überträgt bei jedem Arbeitstakt die Abwärtsbewegung des Kolbens auf den Zapfen. Wie viele Baugruppen und Funktionen unmittelbar mit der Welle verbunden sind, sieht man auf der folgenden Abbildung:

Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Schmierung

Beide Nadellager und die beiden Kugellager der Wellenstümpfe werden NUR durch das Benzin-Öl-Gemisch geschmiert, was an sich aus dem bereits zündfähig ins Kurbelwellengehäuse eingebrachte Benzin Luft-Gemisch dort abscheiden muss (Vgl Aufbau 2T Motor). Und das ist, wie jeder leicht feststellen kann, extrem dünnflüssig! Ein zäher Schmierfilm, wie man ihn an Kolben und Kerze findet, entsteht erst, wenn sich die Hitzebeständigen Komponenten des Öls aus bei der Verbrennung des Kraftstoffes im Zylinder niederschlagen!!! Deshalb werden bis heute Rollen und Nadellager verwendet die bauartbedingt mit weniger Schmierung auskommen, und KEINE praktisch Verschleiß-freien Gleitlager, wie wir sie in den Autos mit der sogenannten Druckumlaufschmierung haben! Dort hält ein Motor 200-300 tkm und mehr, bei einer Säge geht man von bestenfalls 1000 Stunden aus!!!! Um die sogenannte Gemischschmierung zu unterstützen, weisen die Pleuelaugen oft seitliche Ausbuchtungen („Öltaschen“) oder Ausfräsungen oder auch einfach nur in die Lauffläche der Augen gebohrte Löcher auf, um den Kontakt zwischen Gasgemisch und den Lagern zu verbessern.

Führung des Pleuels

Es gibt zwei wesentliche Unterscheidungen, wie man für die Zentrierung des Pleuels auf der Welle sorgt und Verspannungen im Bewegungsapparat vorbeugt. Naheliegend ist, das Pleuel durch die massiven Wangen zu fixieren, und oben am Kolbenbolzenlager ggf. etwas axiales Spiel zu lassen. Diese Technik wurde über viele Jahre angewendet und man sagt „unten geführte“ Welle dazu: Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Gibt Sinn, funktioniert! Oder? Hmmm, leider gab es in diesen Zeiten auch viele Wellen die so aussahen:

Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Was ist passiert? Tja, das war für die Betroffenen Hersteller ein ziemliches Problem. Das Pleuel wandert also in eine Vorzugsrichtung auf dem Pleuel, und liegt an einer der Wangen an. Dort kommt es zu einer verstärkten Reibung. Irgendwann entsteht Wärme und thermische Ausdehnung. Im ungünstigen Fall erwärmt sich ein Bauteil so stark, dass die Funktion aufgrund von veränderten Abmessungen und Härteverlusten nicht mehr gewährleistet ist. Hier im Bild erkennt man die Anlassfarben der Wange, das Wellenlager selbst in unauffällig und die Welle noch o.k, aber wie lange noch? Was kann man dagegen tun? Die Sägenhersteller haben selber nachforschen müssen. Auch werden natürlich nicht alle Teile selber gefertigt, man kauft zu oder lässt ganz auswärts nach den eigenen Vorgaben fertigen. Es kam heraus, dass eine solche Vorzugsrichtung begünstigt wird, wenn die Nadeln im Lager nicht absolut perfekt zylindrisch sind. Schon ein paar MINIMAL „kegelförmige“ Nadeln reichen, damit das Pleuel eher zu einer Wange hin wandert als beliebige Positionen einzunehmen! Und was kann man dagegen tun?

Lösung 1: nur die PERFEKTEN Nadeln kaufen. Die besten 30%, die der Nadellager-Nadelhersteller zu bieten hat! Jeder Hersteller freut sich auf solche Anfragen, und wahrscheinlich haben damals schon alle Hersteller nur perfekte Nadeln im Angebot gehabt, sowie es in einschlägigen Auktionsportalen auch nur „top“ Sägen und keinen gehimmelten Schrott zu kaufen gibt (Ironie). Was noch?

Lösung 2: Das Pleuel oben durch das Kolbenbolzenlager führen lassen! Und was bring das? Das Pleuel vollführt um das untere Pleuellager eine Drehbewegung! Klar! Oben jedoch ist es nur eine Oszillation, es bewegt sich nur hin und her!!! Liegt nicht auf der Hand, kann sich aber jeder selber leicht vor Augen führen, wenn er eine Kurbelwelle zum Spielen in der Hand hat! Wenn dort nun ein paar Nadeln nicht perfekt sind und es eine Vorzugsrichtung gibt, kehrt sich diese auf dem Rückweg um! Das sieht dann so aus wie auf dem folgenden Bild gezeigt, es ist fast die gleiche Welle wie oben nur dieses eine Prinzip wurde geändert, bei Fa. Sachs Dolmar innerhalb der 112er Baureihe somit am besten zu zeigen:


Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle


Man sieht, dass unten mehrere mm axiales Spiel bestehen, das Pleuelauge oben am Kolbenbolzen aber breiter ist und dadurch ggf. innen im Kolben einen Anschlag hat. Klappt gut, ist so genial wie einfach und heute bei praktisch allen Wellen so zu finden.


Spiel der Pleuellager

Das axiale Spiel haben wir nun gut beschrieben und bei entsprechendem Prinzip ist dieses Spiel bis zu mehreren mm groß und selten ein Problem. Anders sieht es mit dem radialen Spiel aus. In dieser Richtung wirkt die Kraft des Kolbens und ein entsprechender Verschleiß wäre zu erwarten. Lange Rede kurzer Sinn, das radiale Spiel lässt sich nur sehr schwer messen und ist auch bei nagelneuen Wellen durchaus schon zu spüren. Generell lässt es sich jedoch nur dann maximal nachfühlen, wenn das Lager fettfrei und trocken (Bremsenreiniger und Pressluft) ist. Schon ein kleiner Ölfilm baut Kapillarkräfte auf, die jegliches Klappern unterbinden, und genau das ist ja auch gewollt! Bis man im Betrieb Auswirkungen spürt oder hört muss dieses Spiel schon gewaltig groß sein und so gibt es selbst von vielen Herstellern kein angegebenes Verschleiß-Maß. Das Pleuel sollte sich nach obiger Vorbereitung nun mal nicht klapprig sondern fest anfühlen, und fast noch wichtiger ist, dass nirgendwo Anlassfarben zu sehen sind. Hitze zerstört ein Lager weit schneller als etwas Lagerluft, frei nach „wo Luft ist, ist auch Leben“ sollte man es nicht zu eng sehen, ich ärgere mich heute noch, eine rückwirkend sehr gute Dolmar 119er Welle aus Unwissenheit aussortiert zu haben. Eine Feinmechanik Werkstatt konnte mir das axiale Spiel einer Dolmar 133er Welle, welches mit der Hand schon spürbar war, auf 2-3 1/100 mm messen! Es ist erstaunlich wie sensibel die Fingerkuppen sind, hier nochmal das ganze graphisch aufbereitet:

Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Kurbelwellenschäden, Ursachen und Reparatur

So groß die Beanspruchung auch ist, die im normalen Betrieb von diesem Bauteil toleriert wird, so empfindlich sind Kurbelwellen bei unsachgemäßer Belastung. Das Pleuel und sein unteres Lager sind sehr empfindlich gegenüber seitlichem Druck, der hierbei direkt einen Hebel geboten bekommt. Beim Austreiben von Kolbenbolzen sollte man also den Kolben irgendwie abstützen. Aber auch wenn einem so ein 500 Gramm Gerät von Kurbelwelle aus Brusthöhe auf den Boden fällt, kann man bereits erwarten, dass die Welle beschädigt wurde. Besonders der Zapfen deformiert sich sehr schnell. Es gibt dabei zwei Möglichkeiten. 1. Die Wellenstümpfe sind gegeneinander verbogen. Als mögliche Ursache wird in manchen Betriebsanleitungen von Sägen davor gewarnt, die Kette bei heißer Schneidgarnitur nachzuspannen und vor dem Abkühlen nicht sofort wieder zu Lösen. Als Folge kühlt sich die Kette schneller ab als das Schwert und verkürzt sich über Gebühr hinaus, woraufhin extreme Kräfte auf den Wellenstumpf wirken. Aber auch der genannte Fall auf den Boden und das Hebeln mit der Säge bei eingeklemmter Kette kann solche folgen haben. Persönlich habe ich diesen Schaden allerdings noch nicht in natura gesehen, das Bild illustriert die Sache nur, die Welle dort ist gerade.

Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Wesentlich häufiger anzutreffen, ich würde fast sagen bei praktisch allen Sägen die schon viele Stunden gearbeitet haben, ist eine Verdrehung der Wangen gegeneinander. Da der Zapfen ja nicht auf der gedachten Verbindungslinie zwischen den Stümpfen liegt, kommt es dabei zu einem parallelen Versatz derselben. Relativ zur Kupplungsseite ist die Wange der Magnetseite dabei immer in Laufrichtung voraus verdreht. Die Erklärung ist folgende: Die Last im Holz bzw. die Kraft die der Drehbewegung des Motors entgegen gerichtet ist, greift von der Kupplungseite her an. Auf der Magnetseite sitzt jedoch die Schwungmasse, die auch unbelastet für einen zumindest so gleichmäßig wie nötigen Motorlauf führt. Wird nun die Kupplungsseite in sehr kurzer Zeit gebremst, führt die Trägheit des Polrades, die nun jenseits des empfindlichen Zapfens auf die Welle wirkt, unter Umständen zu diesem Problem. Vor allem unsanftes Aufsetzten aufs Holz mit einer bereits auf Vollgas laufenden Säge führen zu Kraftspitzen, zu lange Schneidgarnituren und zu stark abgefeilte Tiefenbegrenzer ebenfalls, aber auch Fremdkörper wie Nägel im Holz. Also am besten Säge ansetzten und gefühlvoll beschleunigen, dann ins Holz eintauchen lassen. Natürlich summieren sich minimale Verdrehungen nach und nach auf. Je älter die Säge desto wahrscheinlicher ist es, einen solchen Effekt zu finden. Allerdings ist dies nur in den seltensten Fällen so extrem, dass man es mit bloßem Auge sieht, z.B. wenn man axial auf die Kanten der zur Deckung gebrachten Wangen blickt. Zu einem gewissen Grad ist dies letztendlich auch einfach normal, mögliche Abhilfe ist wie oben gesagt, von Anfang an mit Gefühl und richtig geschärfter Kette ans Holz zu gehen.

Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Um die genaue Ursache und vor allem auch deren Ausmaß bei einer krummen Kurbelwelle zu ermitteln, muss die Welle in eine Messaparatur eingespannt werden. Beim Drehen wird nun an mehreren Punkten der vorher eingestellte Abstand zu mehreren Messfühlern ermittelt. Aber es gibt einen einfachen Test, um wenigstens schnell und einfach eine grobe und qualitative Abschätzung vorzunehmen. Wenn der Motor der Säge bei stehender Kette langsam von Hand durchgezogen wird, dreht sich lediglich die Kurbelwelle und das Nadellager der Kupplungsglocke. Bei fast allen Sägen ändert sich bei dieser Prozedur auch minimal die Spannung der Kette. Die Methode ist nicht zu verwechseln mit dem Durchziehen der Kette bei stehendem Motor, bei der die Kettenspannung nun von Kette, Kupplungslager und Ritzel beeinflusst wird. Dort sind fast immer große Abweichungen innerhalb einer Kettenumdrehung zu finden, diese Bauteile sind mit weit geringerer Präzision gefertigt.

Kommen wir zum Ausgangspunkt zurück. Der Trick ist, die locker gespannte Kette gerade so dazu zu bringen, dass sie unten an der Schwertnut anliegt. Dann wird der Motor langsam gedreht. Am Punkt des geringsten Durchhanges justiert man die Kettenspannung durch Verdrehen der Kette ggf. wieder auf gerade eben so auf eine in der Nut anliegenden Zustand nach. Wird der Motor nun etwa eine halbe Umdrehung weiter gedreht, wird man sehen, dass sie die Kettenspannung nun wieder etwas verringert hat.

Die folgende Abbildung illustriert dies am Beispiel einer Dolmar 153. Man wird folgendes Feststellen: Erstens, praktisch jede Säge zeigt dieses Verhalten. Zweitens, auch nur 2-3 mm sehen in der Praxis gewaltig viel aus. Aber drittens: mit einfachsten Mitteln kann man z.B. vor Kauf sehen, ob alles im normalen Bereich ist! Auch eine neue Säge kann dort um etwa 1 mm variieren, auch bei 2-3 mm, wie auf dem Bild, wird man beim Sägen nichts bemerken. Aber wenn es locker mal ein halber cm und mehr ist, gibt es bessere Exemplare und man sucht am besten zum Kauf noch etwas weiter. Denn letztendlich entstehen bei krummen Wellen einfach Vibrationen, die das Material stärker belasten und zu einem unruhigeren Verhalten im Schnitt führen.


Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Die gute Nachricht ist hier jedoch, dass man beide beschriebenen Deformationen richten lassen kann. Die Verbiegung oder Verdrehung wird durch erneute gezielte Krafteinwirkung rückgängig gemacht. Heute sind solche Arbeitsschritte jedoch selten zu finden, und längst nicht alle Werkstätten sind noch darauf ausgelegt. Der personelle Aufwand ist schlichtweg allein durch den Aus- und Einbau der Welle sehr teuer und übersteigt meist den Restwert der Säge. Auch ist eine neue Welle bei aktuellen Modellen bereits für ca. 180 Euro zu haben. Anders sieht die Sache für Sammler aus, die ggf. die Montagearbeiten selber erledigen können und es sich um Teile handelt, die neu gar nicht mehr zu bekommen sind. Das folgende Bild zeigt einen solchen Fall, Die Welle einer Dolmar 153 ist mechanisch unauffällig, das radiale Pleuellagerspiel ist nicht extrem aber auch nicht wenig, jedoch ist das untere Pleuelauge verfärbt. Dies deutet auf eine zu starke Erwärmung hin:


Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Im Rahmen einer Totalrevision der Säge wurde die Welle zu einem Spezialbetrieb, Fa. Lothar Kexel, in den Westerwald geschickt. Glücklicherweise gibt es noch einen großen Markt durch die 2T-Motorroller-Rennsport-Branche, deren Kurbelwellen praktisch genauso aufgebaut sind. Ich hatte einfach im Ortsansässigen Scooter-Laden gefragt und man half mir mit dieser Adresse weiter. Das Ergebnis ist in der folgenden Abbildung gezeigt. Die Welle wurde vor Ort auseinander gepresst, etwa 8 Tonnen sind dafür nötig. Danach konnten die Laufflächen von Zapfen und Pleuelauge auf mögliche Härteverluste durch die zu starke Erwärmung geprüft werden. Als diese Werte noch in Ordnung waren, wurde die Welle neu gelagert und anschließend vermessen und gerichtet. Ein um 0.02 mm größerer Nadeldurchmesser sorgt nun nach allen Regeln der Kunst für perfekten Sitz. Die traditionelle Verkupferung des Pleuels ist einer modernen anti-Haft-Beschichtung gewichen. Kurzum, eine praktisch neue Welle. Aber auch hier ist etwa das obige Kettenspiel beim durchdrehen des Motors wieder vorhanden, eine schöne Referenz für zukünftige Beurteilungen! Das ganze kostete deutlich weniger als eine neue Welle früher gekostet hätte, und vor allem wenn es nur um das „wieder gerade biegen“ geht, ist das für jeden Selbstschrauber eine sehr schöne Sache.


Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Bevor wir den Artikel gemütlich ausklingen lassen, sollen die weniger schönen Unfälle mit Kurbelwellen nicht unerwähnt bleiben. Bitte den folgenden Abschnitt unbedingt GANZ durchlesen, eh selber losgelegt wird!

Also: Anbauteile wie Polrad und Kupplung zu lösen, ist oft echte Gewalt nötig. Dabei kommen sogenannte Abzieher zum Einsatz, Werkzeuge die das Bauteil fixieren und gleichzeitig Kraft axial auf den jeweiligen Kurbelwellenstumpf ausüben. Für viele Sägentypen gibt es spezielle Modelle die vom Hersteller als Werkstattzubehör verkauft werden. Die Kraft wirkt axial nach aussen und wird aufgebaut, indem ein Dorn mit Gewinde in den Abzieher eingedreht wird, der sich mit seiner Spitze aussen auf den Wellenstumpf stützt. Und jetzt kommt der entscheidende Punkt. Der Wellenstumpf bzw. dessen Gewinde muss dabei mit einer speziellen Metallkappe geschützt werden !!! Erst dann darf der Dorn fest eingedreht werden. Leider haben die Stümpfe an den Enden meist eine Kegelförmige Einbuchtung, die genauso aussieht, als sei sie für die Spitze des Abzieher-Dornes gemacht! Das ist nicht jedoch nicht der Fall. Die Schutzkappe ist im Lieferumfang der Spezialabzieher dabei und kann ggf. auch einzeln bestellt werden. Weiter geht’s: Die Bauteile sitzen meist extrem fest. Ein Maulschlüssel hält den Abzieher, der Dorn wird mit Nuss und Ratsche eingedreht. Wenn der eigene Arm nicht mehr Kraft hergibt, oder sich die plastische Verformung des Werkzeuges abzeichnet ist Schluss.

Sitzt das Teil immer noch fest, hebt man die Säge nur am Dorn des Abziehers selbst in die Luft, hält sie über einer weichen Unterlage in der Schwebe und gibt mit einem Hammer kurze scharfe Schläge auf den nun oben herausstehenden Dorn. Die Stoßwellen laufen durch den Dorn auf den Wellenstumpf und von dort bis in die Kegelpassung hinein. Mit lautem Knall löst sich irgendwann das Bauteil und die Säge fällt in die Unterlage. Am besten erwärmt man das zu lösende Bauteil vorher schon ein bis 2 mal moderat mit Heissluft, die womöglich ungleiche thermische Ausdehnung von Stumpf und Bauteil arbeitet uns entgegen. Das folgende Bild zeigt den worst case, bei dem die Schutzkappe vergessen wurde. Das Gewinde wurde vom Abzieher gesprengt und die Welle ist irreparabel beschädigt. Mit Glück bleibt ein Rest um die Mutter doch noch einmal festzuschrauben…also IMMER Schutzkappe benutzen und mit kontrollierter Kraft zu Werke gehen.

Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Ein paar nette Beispiele zum Schluss

So, nach diesem langen Text und den ganzen Skizzen nun noch ein schöner Ausklang zum Entspannen, mit Bildern von zwei richtig großen Vertretern ihrer Zunft. Zuerst die Kurbelwelle einer Dolmar CT. Ich musste lernen, dass Kurbelwellen sehr schwer zu fotografieren sind, der Weissabgleich des 2-Euro-Stückes, welches als Größenmarker daneben liegt, ging komplett daneben. Die Welle ist extrem massiv gebaut, hat nur ganz kurze Stümpfe und dürfte so ziemlich das stabilste sein, was jeh in einer 1 Mann-Säge gelaufen ist. Interessant ist die Ausfräsung am Pleuel. Dort hat das Lager auf einer großen Fläche Kontakt zum Benzin-Luftgemisch und die Schmierung ist besser als bei den oben gezeigten kleinen Einbuchtungen, den Öltaschen. Solche Bauweisen sind vor allem bei den modernen Wellen zu finden, diese hier wurde erst 1992 gebaut und ich vermute fast, dass hier spätere Erkenntnisse in die Ersatzteilfertigung eingeflossen sind. Aber ohne den gleichen Typ Welle aus den 60er Jahren zu sehen kann ich es nicht genau sagen.


Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Das letzte Bild zeigt die Welle einer Stihl 070, Baujahr ca. 1971, sie wurde so auch in der Stihl Contra und 090 verbaut. Die Stümpfe sind deutlich länger als bei obigem Beispiel. Bis ca. 1972 gab es hier eine Besonderheit: Das Pleuel wurde am unteren Auge geteilt und zur Montage auf dem Zapfen verschraubt. Um den Lagersitz sind es plane Schnitte, außen an den Schrauben wurde das Material gebrochen! Man sieht es ein klein wenig in der Bildecke oben rechts, die rote Linie zeigt den Verlauf des Bruches an der ganz knapp darunter liegt. Dies wurde so gemacht, da es am Ende effektiver oder auch einfacher war ein bereits fertiges Pleuel zu brechen, anstatt zwei exakt passende Teile separat anzufertigen. Zudem verhindern die nur in einer Position zueinander passenden Bruchflächen ein Vertauschen und das um 180 Grad verdrehte Montieren der Lagerschale. Lange Rede kurzer Sinn, hier konnte der Kundendienst noch selber, auch ohne 8 Tonnen-Presse und Richtbank ALLE Lager der Säge auswechseln. Der Ruf der 070 ist entsprechend legendär. Spätere und heutige Wellen sind jedoch so aufgebaut wie es bei den übrigen Beispielen der Fall ist.

Abb. 1: Aufbau einer Motorsägen-Kurbelwelle

Soviel von mir zum Thema Kurbelwellen, mit der Absicht mit ein paar Infos beim weiteren Umsetzten des Hobbys Motorsäge behilflich zu sein.


Urheber Text und Bild:Christoph B.P. alias Bitburger.--Bitburger (Diskussion) 02:36, 5. Apr. 2013 (CEST)